Oder auch.. Der kürzeste Ausritt… Oder… Wenn der Berghund zum Wolf wird…
Was ist passiert? Der Tag hat so gut angefangen. Schönes Wetter, warm, nur noch Wind aber kein Sturm mehr. Also ab ins Gelände. Ich steige (seit die Hunde meist mit sind und Mutti nicht mehr gegenhalten kann) auf dem Sandplatz auf und reite dann Richtung Wald. An den Koppeln vorbei. Schon am Dienstag war Shaman etwas entsetzt dass da mit einmal eine Herde Schafe zu sehen war. Da waren sie aber noch weiter entfernt auf einer anderen Koppel. Gut denk ich, wird schon werden. Zum Glück mal keine Arbeiter auf dem Feld die ihn erschrecken könnten. Er war ein wenig nervös, ist aber brav die Eichen-Allee im Schritt hoch. Derweil hab ich mir die süßen Schafe angesehen. Soweit, so gut.
Ab da nahm das Drama seinen Lauf. Im wahrsten Sinne des Wortes. Unvermittelt tauchte kurz hinter dem mobilen Weidezaun ein Berghund auf… Völlig geräuschlos. Schlich sich an wie ein Wolf der seine Beute fixiert. Meine Gedanken zu dem Zeitpunkt: Oh toll, ein Berghund!! Oh scheiße… Weiter kam ich nicht. Auf Shaman muss der Berghund wirklich den Eindruck eines Wolfes gemacht haben der ihn sich schnappen will. Ein Satz nach rechts, getrippel nach links, Hüpfer nach vorne. So hat er mich erst aus dem einen, dann aus dem anderen Steigbügel geschüttelt und genau in dem Moment wo ich mit dem Hintern praktisch in der Luft hing… Startet er durch.
Das erste Mal in seinem ganzen Leben. In fast 20 Jahren wo er geritten wird. Ich konnt mich grad noch vorne am Sattelhorn festkrallen und hab es geschafft mich irgendwie wieder in den Sattel zu ziehen. Ich war kurz davor mich fallen zu lassen weil mir schlicht die Kraft ausging. In diesen paar Sekunden geht einem ja vieles durch den Kopf. Vor allem das ein Sturz bei dem Tempo mich trotz Helm wohl gleich ins Krankenhaus befördern würde. Also hab ich mich weiter mit den Beinen festgeklammert, das Sattelhorn nicht losgelassen und es irgendwie geschafft meine Steigbügel zu angeln. Bis dahin keine Chance ihn zu bremsen. Ich hab wirklich gebetet dass jetzt nichts kommt was ihn dazu bringt nach links oder rechts zu springen. Das hätte ich nicht mehr abfangen können. Nach mehreren hundert Metern hat er angefangen sich immer wieder umzudrehen und dann endlich durchparieren lassen. Ich bin so schnell kontrolliert abgestiegen wie es nur ging. Dann erstmal tief durchatmen. Und eine Runde heulen dass wir das heil geschafft haben. Da hätt ich echt eine Zigarette und n Schnaps vertragen können…! Ich hab das letzte Mal so eine Angst auf, neben und um ein Pferd gehabt, als mein erstes im Gelände versucht hat mich loszuwerden und wir bei diesen Versuchen letztlich auf der Motorhaube eines Autos standen. Seitdem bin ich wirklich „geschädigt“ was das anging und hatte auch mit Shaman die ersten Monate jedes Mal furchtbare Angst wenn wir im Gelände waren.
Der Unterschied zwischen Bamse und Shaman: Bamse wollte mich gezielt loswerden und das mehrfach. Aber nur im Gelände. Auf dem Platz ein Traum. Bei meiner Mama genau andersrum. Shaman hat heute für ein Fluchttier genau richtig gehandelt. Dass er mich und dabei auch sich in Lebensgefahr gebracht hat, ist ihm natürlich nicht klar. Er hat nur versucht uns so schnell wie möglich von der potenziellen Gefahr wegzubringen.
Hier ein paar Fotos nachdem ich endlich absteigen konnte. Ich musste sowieso erstmal den Schock verdauen und er wieder etwas zu sich kommen. Man sieht wie aufgeregt und durch den Wind er ist. Weit aufgerissene Augen, weite/ geblähte Nüstern, Hals und Kopf so hoch es geht um alles zu überblicken….



Nun kam der wirklich schwierige Teil. Wie ihn sicher zum Stall bugsieren..? Ich dachte am Anfang noch wir können gut dran vorbei gehen. Sonst hätte ich einen riesigen Umweg gehen müssen, an den Feldarbeitern vorbei und durch ein Stück Wald wo er sich gerne an der Hand aufführt wie Rotz am Ärmel. Normalerweise funktioniert das auch sehr gut. So lange einer neben oder vor ihm geht. Tja, heute nicht. An dem Punkt wo der Berghund wieder auftauchte, ging das Drama weiter. Eine Mischung aus Unsicherheit, Drohen, Durchdrehen… Und ich dazwischen… Als der Berghund dann endlich mal bellte, konnte Shaman ihn wenigstens zuordnen. Hat aber nichts an seinem Verhalten geändert. Gut denk ich mir, gehste dazwischen, damit er die Sicherheit hat. Böser Fehler. Dann wurde er erst recht ungehalten, stürmte mehrfach um mich und schob sich zwischen mich und den Hund. Der total gelangweilt am Zaun entlang bellte und trabte. Während ich aufpassen musste, dass Shaman mich nicht durch die Gegend schubbst oder mir auf die Füße springt. Ich war kurz davor die Zügel auszuhaken und ihn einfach nach Hause laufen zu lassen. Spätestens in seiner Paddockbox hätte ich ihn glücklich mampfend am Heu gefunden… Aber wir haben es geschafft. Zum Schluss hat er das gleiche Verhalten gezeigt wie bei der Jagd vor 15 Jahren. Immer wieder vorne hoch, Kopf zwischen die Beine, wildes Gewackel mit dem Kopf, in die Luft beißen, los stürmen… Ich war klatschnass als wir endlich wieder am Putzplatz waren. Danach hab ich ihn gleich in die Halle gebracht. Wälzen. Schritt gehen. Er war sofort wieder die Ruhe selbst.
Dieser „Ausritt“ hat mir mal wieder klar gemacht wie viel Wert man als Reiter auf Sicherheit legen muss. Helm und Schutzweste. Eine gute Ausbildung des Pferdes – auch im Gelände. Und vor allem – lieber einmal mehr zu Fuß gehen, als vom Pferd fliegen und sich die Knochen brechen. Ich weiß wie lange ich im Sattel bleiben kann und wann es Zeit wird so schnell und kontrolliert wie möglich abzusteigen. Meine Mama hat in jedem Fall Verbot dort auch nur mit ihm spazieren zu gehen, so lange Schafe und Berghund noch dort sind.
Abschließend habe ich Shaman den Hintern und die Beine gewaschen, etwas Kotwasser ist leider wieder da. Der Schweif ist jetzt ordentlich durch mich gekürzt worden. Ab jetzt braucht er seinen Schweif kaum noch zum Fliegen wegwedeln und so wird dieser weniger eingesaut. Grad wenn es später deutlich kälter ist, wird der durch Kotwasser eingesaute Schweif sonst knallhart und das tut dann an den Beinen weh. Muss nicht sein. Nicht schön, aber nützlich.